Her mit dem guten Leben – für alle weltweit!
Aktionskonferenz Care Revolution vom 14. bis 16. März 2014 in Berlin
Um für uns und andere zu sorgen, brauchen wir Zeit und Ressourcen aller Art. Dies ist grundlegend für die Verwirklichung unserer Bedürfnisse und Interessen – für ein gutes Leben. In einem kapitalistischen System spielen menschliche Bedürfnisse jedoch nur insofern eine Rolle, als sie für die Herstellung einer flexiblen, kompetenten, leistungsstarken, gut einsetzbaren Arbeitskraft von Bedeutung sind. Sorgearbeit wird gering geschätzt und finanziell kaum unterstützt. Dies gilt insbesondere in der derzeitigen Krise sozialer Reproduktion, die wir als einen zugespitzten Widerspruch zwischen Profitmaximierung und Reproduktion der Arbeitskraft verstehen.
Veranstalter: AK Reproduktion des Feministischen Instituts Hamburg und Rosa‐Luxemburg‐Stiftung
In  Kooperation  mit  folgenden  Initiativen,  Netzwerken  und  Organisationen:  Ver.di  Betriebsgruppe Charité  Berlin,  Industrial  Workers  of  the  World  Köln/Pflege‐Betriebsgruppe,  Basisgruppe  Antifa Bremen  –    …ums  Ganze!,  Arbeitskreis  Care  der  Unabhängigen  Frauen  Freiburg,  Redaktion  der Zeitschrift  Widersprüche,  AK  Feminismus  der  Naturfreundejugend  Berlin,  ver.di‐Pflegenetzwerk  der Medizinischen  Hochschule  Hannover,  Nicos  Farm  e.V.  Hamburg,  4in1‐Initiative  Hannover,  Initiative
Armut durch Pflege, Frauengruppe Zumutung Reutlingen‐Tübingen, Tagespflege Lossetal, QueerFem AG  Interventionistische  Linke  (iL)  Tübingen,  BasisGruppe  Emanzipation  Aschaffenburg,  Denknetz Schweiz,  QueerFeminismus  AG  der  Interventionistischen  Linken  Berlin,  Wir  pflegen  – Interessenvertretung  begleitender  Angehöriger  und  Freunde  in  Deutschland  e.V.,  Women  in  Exile Potsdam,  Kotti  &  Co  Berlin,  Marche  Mondiale  des  Femmes  –    Koordination  in  Deutschland, Arbeitskreis  Kritische  Soziale  Arbeit  Dresden,  Redical  [M]  Göttingen  –    …ums  Ganze!,  WIDE Switzerland,  Gruppe  d.i.s.s.i.d.e.n.t.  in  der  Interventionistischen  Linken  (iL)  Marburg, Arbeitskreis Kritische  Soziale  Arbeit  Hamburg,  ver.di  Bezirksfrauenrat  Hannover/Leine‐Weser,  Verein Demokratischer  Ärztinnen  und  Ärzte,  Bildungskollektiv Biko,  Respect  Berlin,  Queer‐feministische Gruppe  ́wider die natur ́, Infoladen Sabotnik Erfurt, Das feministische Blatt „Wir Frauen“
Krise sozialer Reproduktion
Um für uns und andere zu sorgen, brauchen wir Zeit und Ressourcen aller Art. Dies ist grundlegend für  die  Verwirklichung  unserer  Bedürfnisse  und  Interessen  –  für  ein  gutes  Leben.  In  einem kapitalistischen System spielen menschliche Bedürfnisse jedoch nur insofern eine Rolle, als sie für die Herstellung  einer  flexiblen,  kompetenten,  leistungsstarken,  gut  einsetzbaren  Arbeitskraft  von Bedeutung  sind.  Sorgearbeit  wird  gering  geschätzt  und  finanziell  kaum  unterstützt.  Dies  gilt insbesondere  in  der  derzeitigen  Krise  sozialer  Reproduktion,  die  wir  als  einen  zugespitzten Widerspruch zwischen Profitmaximierung und Reproduktion der Arbeitskraft verstehen. Diese sozialeReproduktionskrise hat viele Facetten:
- Staatliche Dienstleistungen decken nicht den steigenden gesellschaftlichen Bedarf an Bildung und Erziehung, Gesundheit und Pflege: An Kinderbetreuung und schulischer Bildung wird gespart; alte und kranke Menschen werden nicht mehr ausreichend versorgt; Menschen mit Beeinträchtigungen erhalten zu wenig Assistenz. Für die staatliche Subventionierung profitabler Güterproduktion, wie der Automobilindustrie, stehen in der Krise Milliarden zur Verfügung, ebenso wie für die Rettung von Privatbanken. In Kindergärten, Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen, Krankenhäusern und Pflegeheimen wird nur ein Bruchteil dessen investiert.
- Trotz Fachkräftemangel stagnieren die Löhne von Erzieherinnen, Pflegekräften und anderen sozialen Berufen; sie sichern oft nicht die eigene Existenz, zumal die Kosten für Wohnraum und die allgemeine Lebensführung permanent steigen. Pflege‐ und Sorgearbeiten unterliegen einem Rationalisierungsdruck, der zu Überforderung und Erschöpfung führt und zu Lasten der Qualität der geleisteten Arbeit geht.
- Auch in anderen Berufen nehmen Arbeitsverdichtung und Belastungen ständig zu, steigende Stresserkrankungen wie Depression und Burn‐Out zeugen davon. Außerdem wachsen die Anforderungen der nicht entlohnten Haus‐ und Sorgearbeit in Familie, Nachbarschaft und Ehrenamt. Für viele Frauen bedeutet das eine enorme Doppelbelastung – zugespitzt gilt dies für Alleinerziehende. Vielen bleibt kaum Zeit zur Selbstsorge. Menschen mit höheren Einkommen können diese Belastungen teils dadurch reduzieren, dass sie Haushalts‐ und Pflegehilfen für sich und ihre Angehörigen bezahlen. Oft sind es Migrantinnen, die völlig unabgesichert und zu Niedriglöhnen in privaten Haushalten arbeiten und hier extrem ausgebeutet werden. Solche Care‐Migrationsketten setzen globale Ungleichheiten nicht nur voraus, sondern auch fort.
- Menschen, die wegen der Erziehung von Kindern, der Pflege von Angehörigen oder aus anderen Gründen, den Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht entsprechen können oder wollen, sind nach kurzer Zeit den rigiden Bestimmungen von Hartz‐IV unterworfen.
Care Revolution als soziale Bewegungen  
Ausgehend von diesen alltäglichen Krisenphänomenen setzen wir uns für einen Perspektivenwechsel ein:  Menschliche  Bedürfnisse  und  Interessen  müssen  im  Zentrum  der  Krisendiskussion  stehen.  Mit einem  Aufruf  zur  Care  Revolution  geht  es  außerdem  darum,  Reproduktionsarbeit  neu  zu  bewerten und  umzugestalten.  Aus  feministischer  Perspektive  plädieren  wir  dafür,  die  für  alle  Menschen wichtigen  Aufgaben  in  Bildung  und  Erziehung,  Gesundheit  und  Pflege,  aber  auch  Ernährung  und Wohnraum zum Ausgangspunkt unseres politischen Handelns zu nehmen. Hier liegen die Grundlagen menschlichen  Lebens.  Ein  polit‐ökonomisches  System  muss in  der  Lage  sein,  diese  Bedürfnisse  zu befriedigen. Wenn dies wie derzeit nicht geschieht, muss es erneuert bzw. transformiert werden.
Aufgabe der Aktionskonferenz
Wir  laden  hiermit  vor  allem  regional  und  kommunal  agierende  Gruppen  in  den Bereichen  Bildung und  Erziehung,  Gesundheit  und  Pflege,  Soziale  Arbeit,  Ernährung  und  Wohnraum  zu  einem Wochenende  des  Austauschs,  der  Reflexion  und  der  politischen  Aktion  ein.  Wir  sehen  vielfältige Aktivitäten,  die  an  konkreten  alltäglichen  Lebensbedürfnissen  ansetzen:  Vom  Erzieherinnenstreik 2009  zu  den  oft  regional  ausgerichteten  Warnstreiks  von  Pflegekräften,  den  Ansätzen  einer Organisierung  von  Haushaltsarbeiterinnen  und  den  kommunalen  Auseinandersetzungen  um
Kinderbetreuung;  von  den  vielfältigen  politischen  Auseinandersetzungen  einer  breiten  Bewegung „Recht  auf  Stadt“,  den  kraftvollen  Proteste  gegen  Zwangsräumungen,  migrantischen  Kämpfen  um Bewegungsfreiheit  bis  zum  Zusammenschluss  selbstorganisierter  Hausprojekte  im  Miethäuser Syndikat  und  einer  Commons‐Bewegung,  die  im  Bereich  der  Daseinsvorsorge  alternative Lebensformen erprobt. Aber auch kleinere Initiativen, die sich mit der Aufwertung und Umgestaltung
von  Sorgearbeit  beschäftigen  oder  sich  als  Patient_innen  zusammengeschlossen  haben,  sind  von Bedeutung.
Mit dieser Aktionskonferenz Care Revolution verfolgen wir folgende Ziele:
- Es gibt regional und je nach Themenbereich sehr unterschiedliche Initiativen. Diese können, so unsere Hoffnung, auf einer Konferenz, in der Austausch im Zentrum steht, viel voneinander lernen.
- Dabei ist es uns wichtig, gerade im Bereich Kindererziehung sowie Pflege die Sichtweisen und Probleme beruflicher Care Worker wie Erzieher_innen und Pflegekräfte mit den Erfahrungen von Menschen mit hohen familiären Sorgeverpflichtungen zusammenbringen. Wir versprechen uns dadurch eine neue Stärke von unten für die weiteren politischen Auseinandersetzungen um den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen in KiTas, Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen sowie um eine bessere Entlohnung und humane Arbeitsbedingungen für die dort Beschäftigten.
- Uns ist ebenfalls wichtig, Aktivist_innen aus unterschiedlichen sozialen Auseinandersetzungen um die Daseinsvorsorge miteinander ins Gespräch zu bringen. So können Elterninitiativen eventuell von Mietauseinandersetzungen, Zusammenschlüsse von Patient_innen von selbstorganisierten Hausprojekten, Erzieher_innen von den Pflegestreiks lernen und andersherum.
- Es geht in der Aktionskonferenz also primär um den Austausch von Perspektiven und Erfahrungen und Vernetzung. Gleichzeitig wollen wir damit all diese für das menschliche Leben so notwendigen Bereiche sichtbar machen. Eine Erhöhung der Sichtbarkeit von Reproduktionsarbeit sowie eine Verknüpfung der politischen Aktivitäten im Care‐Bereich können zur Stärkung der bereits bestehenden sozialen Kämpfe beitragen.
Ablauf der Aktionskonferenz – von Freitag 17 Uhr bis Sonntag 13 Uhr
Freitag: Kaleidoskop der politischen Care Aktivitäten
- Vorstellung der beteiligten Gruppen
- Verbindung sozialer Interessen und Aktivitäten
Samstag: Workshop‐Tag mit Theorie und Praxis
Inhaltliche  Arbeitsphase  in  Workshops  (mögliche  Themen  der  Workshops:  Selbstsorge, Kindererziehung, Schulische Bildung, Gesundheit, Pflege, Wohnen, Ernährung, Arbeitsbedingungen in Care Berufen, Commons), möglichst mit Verknüpfung von nicht entlohnter und entlohnter Care Work und/ oder Verschränkung verschiedener Thematiken
Am späten Nachmittag: Care wird sichtbar: Gemeinsame Aktionen auf einem Berliner Platz
Abends: Die Konferenz tanzt!
Sonntag: Nächste Schritte der Care Revolution
- Arbeit an konkreten Vorschlägen und Vereinbarungen aus den Workshops
- Bündeln der Ergebnisse aus den Workshops
- Wie weiter? Vernetzung
Begleitende Basic‐Workshops
Am  Freitag  werden  am  frühen  Nachmittag  von  14  bis  16  Uhr  vier  parallel  laufende  Workshops angeboten, in denen es um Wissensvermittlung und Diskussion relevanter Erfahrungen geht.
Themen der Workshops:
- Politische Aktivitäten im Care Bereich – auch international
- Zur Krise sozialer Reproduktion
- Bedeutung der Care Ökonomie
- Kritik des neoliberalen Zeitregimes
Die Aktionskonferenz sowie die Basic‐Workshops werden in den Räumen der Rosa‐Luxemburg‐Stiftung in Berlin, Franz‐Mehring‐Platz 1 stattfinden.
 
			