Am Sonntag, 5.4., wurden in Tübingen Spuren hinterlassen, die auf die
Situation der Geflüchteten an den EU-Außengrenzen aufmerksam machen
sollen. Aktionen fanden unter dem Aufruf #LeaveNoOneBehind bundesweit in
mehreren Städten statt.
Die Kripo sucht nun nach Zeug*innen – dort, wo Menschenrechtsverstöße
der EU stattfinden, braucht es keine Zeug*innen mehr, dort schauen die
Welt und Europa zu.
Die griechische Regierung setzte Anfang März das Asylrecht aus, nachdem
die Türkei die Grenzöffnung als taktisches Mittel ihrer Großmachtpolitik
eingesetzt hatte. Bei dem Versuch, die Grenze zu überqueren, wurden
Menschen gefoltert und sogar erschossen – 2015 hat der bloße Vorschlag
noch einen europaweiten Aufschrei verursacht. Die griechische
Küstenwache beteiligt sich dabei auch an Angriffen auf Boote von
Geflüchteten. Faschistischen Gangs wurde freie Hand gelassen, Gewalt
gegen Journalist*innen und freiwillige Helfer*innen anzuwenden. Dazu
bezeichnet die EU-Kommissionsvorsitzende von der Leyen Griechenland ohne
einen Hauch von Ironie, Zögern oder Kritik als „Schild“ Europas.
Ebenfalls mitbeteiligt an rechtswidrigen und menschenfeindlichen
Verhaftungen, „Push-Backs“ und komplett illegalen Schauprozessen gegen
Geflüchtete ist die deutsche Bundespolizei.
Unter dem Zeichen der Corona-Pandemie drohen die Lager auf den
griechischen Inseln und überall in Europa zu Todesfallen zu werden. Das
Lager Moria ist für 3000 Menschen konzipiert, momentan sind es aber
20.000. Es gibt für 20.000 Menschen nur einen Arzt und drei
Krankenpfleger*innen, es gibt keine Möglichkeit zum social distancing,
eingeschränkte bis keine Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln,
keine ausreichende Möglichkeit zur Beatmung im Falle eines schweren
Krankheitsverlaufs.
Überall auf der Welt wird gerade mit den größten Anstrengungen versucht,
die Ausbreitung des Virus zu verhindern und die Menschen zu schützen.
Wenn Demokratie und Menschenrechte nicht nur leere Worthülsen sein
sollen, dann muss das für alle gelten. Insbesondere für diejenigen, die
am verwundbarsten sind, weil sie vor Krieg flüchten. Solidarität darf
nicht vor den Toren von Geflüchtetenlagern und nicht an den
EU-Außengrenzen enden. Die Lager müssen jetzt evakuiert werden. Die
Menschen können nicht auf eine europäische Lösung warten, denn diese
Lösung wird es mit Nahezu-Diktatoren wie Viktor Orban nie geben.
Mehr als 140 Kommunen, darunter auch Tübingen, haben sich frewillig
unter der Initiative „Sichere Häfen“ bereit erklärt, Geflüchtete
aufzunehmen. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Initiative zu
unterstützen, nicht weiter auf Zeit zu spielen und stattdessen jetzt zu
handeln. Wir haben genug Platz.
Mit der Aktion am Tübinger Rathaus sollten die Menschen sichtbar gemacht
werden, die an den EU-Außengrenzen ignoriert und vergessen werden.
Selbstverständlich finden diese Aktionen auf den Marktplätzen, in den
Stadtzentren und an den Rathäusern statt – Politik gehört in die
Öffentlichkeit. Um so mehr, wenn es derart beschämende Politik ist. Sie
muss vor den Rathäusern und in den Stadtzentren sichtbar gemacht werden
– und eigentlich nicht nur, wie geschehen, mit wasserlöslicher Farbe –
bis Klopapier und Kopfsteinpflaster nicht mehr wichtiger sind als das
Recht auf ein menschenwürdiges Leben für alle. Leave no one behind!